Kategorie-Archiv: Ressourcenpflege

manchmal ist KraftquellenArbeit ganz konkrete Ressourcenpflege: Welche Ressourcen, wie zugänglich, was sind die zugrundeliegenden Werte, wo sind die Konflikte, was kann ich (neu oder wieder) entdecken an Kräften, Chancen, Möglichkeiten, Räumen, Zeiten, Worten, Taten…

Den Moment entdecken! Philowinter 2017 zur Meditativen Lebenskunst

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Am Sonntag, 15.1. beginnen die Philosophischen Wintergespräche in der Brücke wieder.
Entschleunigung, Achtsamkeit, Meditation sind Bestandteile der Meditativen Lebenskunst, um die es an den fünf Abenden in den Räumen der Brücke e.V. in der Strandstraße 4G gehen wird. 

Meditative Lebenskunst  , das sind Übungen, z.B. zum bewussten Atmen, und Lebenshaltungen, z.B. die Haltung der Freundschaft mit sich selber.
Entschleunigung, also Verlangsamung und Vereinfachung, steht am ersten Abend auf dem Programm: „Den Moment entdecken“.
Dazu wird es kurze Texte geben, die gemeinsam gelesen und besprochen werden, und es werden kleine Erinnerungsübungen angeboten, die im Alltag nützlich sein können, um wieder im gegenwärtigen Moment anzukommen.
Claudia Fuchs hat die Texte und Übungen vorbereitet und wird durch den Abend geleiten.
Wie sagt Thich Nhat Hanh, der vietnamesische Meditationslehrer?
„Wenn ich gehe, gehe ich.
Wenn ich sitze, sitze ich.
Wenn ich esse, esse ich.“

Philosophische Wintergespräche 2017
Texte und Übungen zur Meditativen Lebenskunst
Ab 15. Januar jeden zweiten Sonntag um 17 Uhr
in den Räumen der Brücke e.V., Strandstraße 4G in Wyk.
Vorbereitet und moderiert von Claudia Fuchs, Oldsum.
Eintritt frei, um eine Spende für die Arbeit der Brücke e.V. wird gebeten. http://www.bruecke-foehr.de/die-bruecke/

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2.4.: KraftquellenTag in HH!

.. zum Vormerken:

Am 2. April ist der zweite KraftquellenTag in der Ohlendorffschen Villa in Hamburg-Volksdorf, organisiert von einer ehemaligen Rehabilitandin.
KraftquellenTag:
einen ganzen Tag lang, drinnen und draußen;
Kraftquellen für gute und schlechte Tage
kennenlernen, wiederfinden, einprägen, mit nach Hause nehmen.
Villa und Park sind zauberhaft und gut zu erreichen.
Kosten 120 Euro,  ein kosten-freier Platz.
Anmeldung bei mir, gerne  per mail, (Kontakt auf diesem blog);
telefonische Nachfragen und Infos wieder ab 15. Februar.
Ich freue mich sehr und danke der Organisatorin aufs herzlichste!

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Pflegeanleitung

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In der Kraftquellenarbeit schreiben wir manchmal unsere eigene Pflegeanleitung.
Die heißt so, weil eine Patientin, als ich das vorschlug, spontan sagte:
Das ist ja wie auf dem Etikett in der Kleidung: nur bei 30 Grad waschen, zum Trocknen in Form ziehen!  Wir haben sehr gelacht.
Also die ganz persönliche Pfleganleitung:
Sie besteht aus vier Punkten, und sie sind eigentlich alle Listen.  Zehn Eintragungen, schnell und skrupellos geschrieben, wenn zu einem Punkt nichts einfällt, dann drei Platzhalterpunkte und  weitermachen.  Das Ergebnis ist umso aufschlussreicher, je skrupelloser geschrieben wird.
Die Pflegeanleitung ist nur für die eigenen Augen bestimmt, sie wird niemandem gezeigt, kann aber natürlich hin und wieder upgedatet werden.

Meine persönliche Pflegeanleitung

  1. Was ich brauche, damit es mir gut geht
  2. Was ich tue, damit es mir gut geht
  3. Was die anderen tun können, damit es mir gut geht
  4. Meine Sehnsüchte

Der dritte Punkt ist bei manchen Patientinnen besonders beliebt und muss erweitert werden. Alle vier Punkte, besonders aber der vierte, verwandeln sich manchmal unter der Hand in To-do-Listen. Auch schön!

Was ich tue, damit es mir gut geht: Rausgehen und Fotografieren,  gerne am Strand von Utersum. Und kürzlich war ein kalter, klarer Abend, mit gefrorenem Sand, trockener Luft, viel Wind und Vollmond über den Dünen:

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KraftquellenArbeit ist…

KraftquellenArbeit:

  • Auf kreativen Wegen die persönlichen Kraftquellen aktivieren.
  • Neue Zugänge finden zu dem, was hier und jetzt Sinn machen  kann.
  • Die eigenen Ressourcen neu kennenlernen, stärken und  pflegen.

Schreiben: sich selbst ein Gegenüber sein.
Mandala-Malen: die eigene Welt gestalten.
Wandelwinde-Karten-Legen: neue Formen für alte Gedanken finden.
Haiku-Schreiben: kurze Sinn-Gedichte verfassen.
Märchen-Arbeit: Lebens-Weisheiten in Geschichtenform  kennen lernen.
… und anderes…

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Ethisch und saftig, na also!

Mittsommer 14 122Die mit Erdbeerquark beratene Kollegin meldete sich, sehr zur Freude der Ressourcenberaterin, mit einer mail, die ich auszugsweise hier veröffentlichen darf. Die Beratung enthielt auch eine oder zwei geheime Zutaten, von denen hier nicht die Rede ist, und die, wundervoll, ebenfalls gut anschlugen.
Here goes:
Sehr geehrte Frau Dr. Fuchs,
es war interessant, zu sehen, welche Erwartungen sich kurzfristig erfüllt haben. Ich ziehe eine sehr positive Bilanz aus den ersten 17 Tagen.Das Meditieren liebe ich! Es ist eine viel bessere und effektivere Möglichkeit, die Lebensgeister schnell wieder zu mobilisieren, als meine bisherigen sehr langen und uneffektiven „Mittagstode“ , die ich vorher gehalten habe…
Sehr schön ist, dass ich kaum noch Fleisch esse, dafür viel Obst und Gemüse, wenig Zucker und Weißmehl. Nach Fleischverzehr (außer wenn es möglichst ethisch und saftig ist) fühle ich mich sehr unwohl.
Das Burn-out-Buch habe ich wegen Klassenarbeiten, Hausarbeiten und Zeugnissen noch nicht geschafft, freue mich aber darauf, es in den Ferien am Strand zu lesen. :-)
Es ist nicht nur so, dass ich glücklicherweise wieder „funktioniere“, was blöd klingt, aber unumgänglich ist, sondern, dass ich trotz Stress wieder intrinsisch motiviert bin, ausgeglichener. Vorher dachte ich: „Ichmussichmussichmuss!!!“, jetzt denke ich ganz bewußt (hier folgt die Geheimzutat.)
Ich habe Sie schon weiterempfohlen und hoffe, dass Sie noch lange so erfolgreich weiterarbeiten. Mir hat es sehr weitergeholfen, vielen lieben Dank dafür!

Erdbeerquark und Ressourcenmanagement

Die Kollegin entstieg der Fähre in Wyk, mit Ringen unter den müden Augen. Auf dem Weg zur Weiterqualifizierung war ihr die Puste ausgegangen. Sie hatte beim IQSH ein Coaching beantragt, Ressourcenmanagement bei mir auf Föhr.  Das sollten wir in drei Stunden adressieren.
Bei mir in Oldsum angekommen, durfte sie erst mal Erdbeeren waschen und putzen.  Mit Magerquark, Sahne und selbstgemachtem Vanille-Rohrzucker gemixert gibt das einen sehr schönen Quark, der duftet. Die Toasterwaffeln, voller Weizenmehl und Industriezucker, wären gar nicht nötig gewesen.
Mit der Ernährungs-Bestandsaufnahme fingen wir an: keine Zeit zum Kochen und vernünftig essen, nur noch die ewigen Lehrerzimmer-Kekse und Fast-Food der schlimmsten Art. „Es geht nicht anders…“ – Das ist immer ein guter Anzeiger dafür, dass etwas nicht im Fluss ist: ein unguter Zustand wird zwar erkannt, kann aber absolut nicht verändert werden, da geht gar nix. No way. Unmöglich.
Wir haben dann den typischen Tagesablauf angeschaut, in dem so gar nichts geht, weil absolut keine Zeit ist, und irgendwann kam die Kollegin drauf: „Ich bin ja die Plastikbeauftragte unserer Schule, ich fahre fast jeden Tag zum Plastikcontainer…“ und jetzt kommt’s: „… beim Einkaufszentrum!“ Einkaufszentrum.
Das ist da, wo frau Obst und Gemüse kaufen kann. Und Salat. Etwas Käse vielleicht. Und Kichererbsen,  Gerstengrütze, Haferflocken, Risotto-Reis, Mais, Linsen, Dinkelnudeln, Bulgur.
Die Schule hat eine Schulküche. Aha.

Bild: Susanne Fuchs. Gibt es auf ihren Tricky Fox-t-shirts

1.Drittel: Essen
2.Drittel: Ruhen
3.Drittel: Bewegen

Als wir so weit waren, war es einfach: wir bauten in die Mitte ihres Tages, den sie fast vollständig an der Schule verbringt, weil sie dort auch ihre Vorbereitung macht, ein Kraftrad ein.
„Also ein Tortendiagramm?“, fragte die fortgebildete Kollegin. Na klar, so kann sie es auch nennen!
Das Mittags-Kraftrad.
Eine Stunde am Mittag, drei Teile:

Essen wird sie fortan weniger Zucker und Weißmehl. Statt Keksen gibt’s in Zukunft im Lehrerzimmer alles, was saubere Hände hinterlässt: kleine Tomätchen, Weintrauben, Erdbeeren, Bananen, Möhren, Rosinen, Nüsse.  So kommt sie schon mal fitter durch den Vormittag. In der Mittagspause kocht sie sich was aus Gemüse mit Reis oder Polenta oder Buchweizengrütze oder Kichererbsen oder Linsen oder Bulgur oder Kartoffelbrei. In der Pfanne oder als Eintopf oder als Suppe oder als Gemüse mit Beilage. Zwischendrin gibt’s auch mal Salat oder Nudeln mit Soße. Das geht schnell und schmeckt und ist sehr variabel, kann  auch am Abend zu Hause vorgekocht und mitgebracht werden. Dann wird gegessen.
In der Abteilung Kreative Ressourcen entdeckten wir, dass sie sehr gern Ruhe hat, dass sie mehr von innen nach außen arbeiten möchte, und sich weniger mit Fernsehmüll zuschütten möchte. Aber so ganz allein will sie auch nicht sein. Also hörten wir die CD: Die heilende Kraft der Achtsamkeit, von Jon Kabat-Zinn und Ulrike Kesper-Grossmann. Da gibt’s es eine angeleitete Berg-Meditation, die ihr sehr sympathisch ist. Das Bild des unerschütterlichen Berges will sie gerne  für sich annehmen, da sieht sie sehr deutlich, wie ihr das im Schul- und Qualifizierungsalltag helfen kann. Das war das zweite Drittel ihres mittäglichen Kraftrads: die Ruhe. Gerne mit hochgelegten Beinen, damit auch der Körper was davon hat und runterschalten kann.
Gelaufen ist sie immer schon gern, das hat sie, wie vieles andere, in letzter Zeit aufgegeben. Aber ein paar Runden ums Schulgebäude sind drin. Die letzten 20 Minuten des Kraftrads: Bewegung.
Dann startet sie in ihren Nachmittag, der kürzer sein wird als vorher. Weil sie mehr Kraft hat und nicht gegen die Erschöpfung an-arbeiten muss, wird sie eine Stunde weniger Zeit brauchen, um ihr Pensum zu erfüllen.
Erstes Paradox des Zeitmanagements: wenn du viel zu tun hast, nimm dir wenig Zeit dafür.
Weil sie jetzt eine Stunde früher zu Hause ist, kann sie am Abend in Ruhe die Tasche für den nächsten Tag packen und die Kleider rauslegen.  Dann ist ihr Arbeitstag wirklich zu Ende, und sie hat frei.
Am Morgen
wird sie in Zukunft Morgenseiten schreiben, das kennt sie aus einem Kurs über kreatives Schreiben, den sie mal gemacht hat. Als wir es eben ausprobierten, fünf Minuten lang, alles, was in den Kopf kommt, merkte sie schon, wie sie das beruhigt: „Das entspannt mich jetzt schon!“ Sie wird später aufstehen, weil sie die Sachen schon am Abend rausgelegt hat. Also hat sie morgens ein Viertelstündchen, um zu schreiben.
Außerdem haben wir besprochen, dass sie nicht perfekt sein muss bei der Umsetzung des Neuen: 80 Prozent reicht. Und das schafft sie, so schätzt sie das ein.
Sie nimmt Hausaufgaben mit:
♥ Die Kolleginnen über ihr neues Ressourcenmanagement informieren.
♥ CD: Die heilende Kraft der Achtsamkeit, von Jon Kabat-Zinn und Ulrike Kesper-Grossmann  und Buch: Was tun, wenn es brennt? Neue Strategien gegen Burnout. Ursula Wawrzinek, Anette Schauer. Klett-Cotta Fachratgeber, Stuttgart 2013 kaufen und nutzen.
♥ In 17 Tagen an mich eine Mail schreiben und mich über ihre neue Praxis informieren.
Vieles wusste und konnte sie schon, sie durfte es aktualisieren; an manchen  Stellen hatte sie für sich neue Erkenntnisse, die sie erfreuten. Sie hat sich, kulinarisch unterstützt, mit mir alles nochmal genau angeschaut und für sich Zwischenräume, Kapazitäten, Kraftquellen, Ressourcen eben, entdeckt, die sie nicht (mehr) nutzte und von denen sie sah, wie sie sie jetzt konkret nutzen konnte.
Wir haben angeschaut: Tagesplan, Bedürfnisse, Neigungen, Vor-Erfahrungen, haben aktuelle gute Erfahrungen (mit dem Erdbeerquark, dem fließenden Schreiben für die Morgenseiten, dem Beine-Hochlegen, der angeleiteten Meditation) gemacht und neue Verknüpfungen hergestellt.
Auch ihre Vorbilder haben wir angeschaut, das, was sie wirklich bewegt, ihre Arbeit zu machen, das, was für sie den Sinn macht.
Auf der Rückfahrt zum Hafen kam es dann:
„Wissen Sie, ich bin so gerne Lehrerin, ich hab so große Lust darauf, den Kindern zu dienen und sie zu begleiten!“
Dienen?
– Wer leitet, dient. Das hatten wir nebenbei rausgefunden, und so kann sie sich auch gut damit anfreunden, ihren Thron zu besteigen. Sie wird dem Wohl der Kinder dienen, so sieht sie das.
Mit Freude.

(Dank an Susanne Fuchs für das Blumenbild, das ich zum Tortendiagramm zweckentfremdet habe. Das Bild ziert eines ihrer zauberhaften T-Shirts: www.trickyFox.de )


 

Vergänglichkeit: Harmonie mit der Wirklichkeit!

Ich habe noch einmal nachgelesen:

Vergänglichkeit, nicht Veränderung, ist das Gute an der Wirklichkeit, sagt Pema Chödrön.
Sie ist eine Meditationslehrerin, tibetischer Buddhismus, und hat eine ganze Reihe wirklich nützlicher und hilfreicher Bücher geschrieben, wie ich finde. Das Zitat ist aus dem Buch:
Pema Chödrön: Wenn alles zusammenbricht. Hilfestellung für schwierige Zeiten. Goldmann Taschenbuch 2001
Sie schreibt:
„Vergänglichkeit ist die Essenz von allem. (…) Vergänglichkeit ist Begegnung und Trennung. Vergänglichkeit ist sich verlieben und die Liebe wieder verlieren. (…) Die meisten Menschen haben keinen Respekt vor der Vergänglichkeit. Wir freuen uns nicht an ihr; tatsächlich verzweifeln wir an ihr. Wir sehen sie als Schmerz. (…) Wenn wir uns nicht gegen sie wehren, sind wir in Harmonie mit der Wirklichkeit.“ (Goldmann Verlag, Taschenbuchausgabe 2001, S. 95)
Das passt doch sehr gut als Kommentar zur Heldinnenreise von Schneewittchens Stiefmutter!
Und allen, die gerne mit der Achtsamkeitsmeditation anfangen wollen und sich dafür nicht in eine Gruppe begeben wollen oder können, empfehle ich das zauberhafte Bändchen:
Pema Chödrön: Meditation. Freundschaft schließen mit sich selbst. Kösel Verlag 2013
Dort wird verständlich und mit Humor erklärt, was Meditations-AnfängerInnen nicht wissen können, und vor allem findet sich hier die zentrale Botschaft von Pema Chödrön ein weiteres mal:
Jedes Programm, das wir zu unserer Selbstverbesserung machen, entspricht einer subtilen Aggression gegen uns selbst. Die Botschaft ist: Du bist nicht gut genug, wie du bist. Die Blickrichtung ist meist von außen nach innen, genau wie bei Schneewittchens Stiefmutter, die auch nur nach dem Blick in den Spiegel weiß, wer sie ist.
Spannend wird es, wenn wir das hinter uns lassen, und anfangen, zu akzeptieren, was ist. Dann kann der Raum entstehen, in dem Veränderung wachsen kann. Das ist nicht die Sorte Selbstoptimierung, die sich als Daten in ein Handgelenks-Bändchen einspeisen lässt und dafür sorgt, dass wir noch berechenbarer und manipulierbarer und transparenter für Verkaufsstrategen werden. Es ist die Art von sanfter Veränderung unseres Lebens, die dafür sorgt, dass wir etwas mehr Raum um uns herum haben, in dem wir atmen  und wachsen können.
Wie ein Meditationslehrer sagte:
„Ließ sich mein Leben zuvor mit einer vollgestellten Garage vergleichen, in der ich laufend an irgend etwas anstieß und entsprechend schimpfte, bin ich nun in eine Flugzeughalle mit offenen Toren umgezogen. Dort stehen dieselben alten Sachen, doch sie beengen mich weniger. Ich bin derselbe geblieben, habe jetzt jedoch mehr Bewegungsfreiheit, kann sogar fliegen.“
In: Jack Kornfield: Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffeln schälen. Goldmann Verlag, München 2010, S. 240
Vergänglichkeit: schafft in Wirklichkeit Raum für Neues!

Wo bist du zwischen zwei Gedanken?

Wenn wir in der KraftquellenArbeit  ‚fließendes Schreiben‘ machen, also das, was Andre Breton ecriture automatique nannte, gebe ich immer die Anweisung: kringeln, wenn durch den Kopf nichts durchgeht. In der Nachbesprechung sagen manche dann ganz stolz: „Ich musste gar nicht kringeln!“  So, als wäre es gut, wenn da immer Gedanken sind, wenn das Karussell niemals anhält. Kringeln ist peinlich, Kringeln ist Kinderkram, Kringeln ist der Ausweis der Unfähigkeit, einen Gedanken zu fassen zu kriegen. Immer muss was da sein, immer muss was produziert werden.
Das Kringeln beim automatischen Schreiben markiert den leeren Raum, den Moment zwischen  zwei Gedanken,  wenn eine Gestalt, ein Gedanke,  abgeschlossen ist und die nächste noch nicht erschienen ist. Ein Moment der Zeitlosigkeit und der Ziellosigkeit, zwischen eben noch und noch nicht. Mir scheint, manche Menschen verbringen ein Leben in Meditation, um just diesen Moment zwischen zwei Gedanken auszudehnen.
Wenn wir alles aufschreiben, was uns durch den Kopf geht, und wir also nicht darauf konzentriert sind, ein Produkt herzustellen, sondern nur darauf, dem Schreibprozess zu folgen, dann zeichnen wir auch auf, dass wir manchmal ohne Zeit und ohne Ziel, wie Joseph Campbell sagt, einfach da sind. Der Moment zwischen zwei Gedanken ist das Tor zum still point, zu dem inneren Raum, in dem wir nicht beschäftigt sind mit den Erscheinungen um uns herum im täglichen Leben, sondern die Verbindung zu uns selbst spüren können. Die wundervolle Frage: „Wo bist du zwischen zwei Gedanken?“ wurde Joseph Campbell in Indien von einem Guru gestellt, wie er in seinen Reflections on the Art of Living berichtet:  Der Raum zwischen zwei Gedanken, die Stille in uns, ist der Ort, wo wir uns mit uns selbst befreunden können.
Die Qualität dieses Raums der Stille kommt auch in einem alten japanischen Haiku zum Ausdruck:

Einem fallenden
Blütenblatt sehe ich nach –
Welch eine Stille!
Takahama Kyoshi

Wer  weiterlesen möchte:

Inahata Teiko: Welch eine Stille! Die Haiku-Lehre des Takahama Kyoshi.
Hamburger Haiku Verlag 2006                    

Reflections on the Art of Living. A Joseph Campbell Companion.
Selected and Edited By Diane K. Osbon. Harper Collins, New York 1991

  

Listen schreiben: die Welt er-zählen

„(…)  ich arbeitete an meinen Listen bevorzugt in Momenten, in denen niemand anders an Listen auch nur gedacht hätte, und störte mich an den verwunderten Blicken schon lange nicht mehr.“
– Lena Gorelik: Die Listensammlerin

Lena Gorelik beschreibt das Herstellen einer Ordnung im Geist: die Aufzählung. Das kann zur Obsession werden. Wenn der sinnvolle Zusammenhang fehlt oder nicht gestaltet werden kann, wenn die Sätze nicht da sind und die Begründungen fehlen, wenn die Ordnung neu ist oder gefährdet, wenn wir uns fühlen, als seien wir in einem Labyrinth, wenn etwas zusammenbricht,  dann hilft manchmal: aufzählen, was ist. Continue reading